Interview mit dem Meister
Gestatten, Mein Name ist Casanova und ich bin schwul!
Ja, ich weiß, ich kann mir denken, was Sie über mich gehört haben. Sie wären nicht der erste. Trotzdem, ich bin seit heute morgen 7 Uhr 48 ganz offiziell schwul. Ich muß darauf bestehen. Ich mache mir nichts aus Frauen. Nicht mehr. Behaupten Sie bitte nur das! Das hat gute Gründe.
Ich wirke außergewöhnlich anziehend auf das schöne Geschlecht. Das klingt vielleicht vorteilhaft und anfangs war es auch recht nett, aber auf Dauer ist es nicht gesund. Sie glauben mir nicht?
Nur ein paar Beispiele:
Mich überkam letztens das unwiderstehliche Verlangen nach einer Portion Schwarzwälder Kirsch-Eintopf. Es war 4 Uhr 27 und die Piazza vor meinem Haus war menschenleer. Ich wähnte mich sicher.
Ich hopse also ganz arglos auf dem rechten Bein, es war schließlich Donnerstag, in Richtung Fressorama 24/7 und denke mir nichts böses, da höre ich das Geschrei. Ich hopse schneller, da biegt eine Horde vor Wonne kreischender Furien auch schon um die Ecke. Ich fliehe so schnell ich hopsen kann und verstecke mich in letzter Sekunde unter einem Gullideckel. Die Furien besetzen das 24/7 und betäuben ihren Schmerz über die erfolglose Jagd mit Schwarzwälder Kirsch-Eintopf und Gewürzgurken in Vanillesauce. Erst bei Sonnenaufgang wage ich mich aus meinem Versteck und hopse zurück ins Bett. Diesmal mit dem linken Bein, war schließlich immer noch Donnerstag.
Ich habe bereits 12,635 Kilogramm (gerundet) an Gewicht verloren.
Einmal hatte ich gemutmaßt, es könne an meinem Geruch liegen. Ich tat, was jeder normale Mensch an meiner Stelle getan hätte, nahm ein Bad in wirklich alter Milch, aß einen Eimer Zwiebeln, steckte mir Knoblauch zwischen die Zehen und tauschte meinen Hut gegen ein gebrauchtes Spiegelei. Tatsächlich leerten sich die Straßen von Venedig bei meinem Erscheinen in kürzester Zeit. Ich wähnte mich sicher.
Hätte ich doch nur überlegt. Meine Vorfolgerinnen konnten mich jetzt viel leichter erspähen und mußten nicht wie sonst Kinder, Rentner und Pantomimen aus dem Weg schubsen. Die wenigen in Ohnmacht gefallenen Passanten bremsten sie kaum und mein Duft ließ sie unbeeindruckt. Ich konnte mich nur durch einen Sprung in den Kanal retten.
Um die Fische tat es mir leid und ich verfolgte diesen Lösungsansatz nur noch gelegentlich, wenn mir sehr langweilig war und Hopsen als Zerstreuung nicht genügte.
Im Karneval verkleidete ich mich als Schlaftablette. Ich hatte geübt, Türen immer seitwärts zu durchqueren und das Innere meines Kostüms war mit dem Notwendigsten ausgestattet. Ich wähnte mich sicher.
Ich war dabei, die wenigen rotäugigen, hoffnungsvoll dreinblickenden Assistenzärzte von der Ungenießbarkeit meines Kostüms zu überzeugen, als es schon wieder geschah. Das unverkennbare Kreischen meiner Verfolgerinnen.
Ich konnte entkommen, denn ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Mein Kostüm erweckte den Eindruck von träger Schläfrigkeit und leichter Beute, doch eignet es sich hervorragend zum Rollen. Auf dem harten Pflaster verlor sich meine Spur, nachdem mein Magen vollständig entleert war.
Zuhause verstand ich, warum meine narrensichere Verkleidung durchschaut wurde. Jemand hatte in böswilliger Absicht "Niag'ra" auf die Rückseite meines Kostüms gemalt. Mit Lippenstift.
Eines Tages dann hatte ich genug. Ich fertigte zum Zwecke der Ablenkung ein beinah lebensgroßes Schuhgeschäft aus Salzteig, lauerte der Bande liebestoller Weiber auf, schlich mich von hinten an die Gruppe heran und entführte ein dralles Persönchen in mittleren Jahren mit Barbypuppe im Arm. Sie wehrte sich nur pro forma, lächelnd und erstaunlich lautlos. Der Rest meiner Verehrerinnen merkte nichts.
Ich schleppte sie huckepack in mein Versteck, saß mit einem Bettlaken über meinem Kopf vor ihr und fragte sie: "Sag mir, Weib, was ist an Casanova so besonders, daß ihr ihn die ganze Zeit verfolgt? Warum laßt ihr ihn um Gottes Willen nicht in Frieden??" Ihre Antwort war: "Er schnurrt! ^^ "
..."Er schnurrt?"
"Er schnurrt. Wissen alle!"
"SCHNURRT ?!?"
"Ja"
Über die Einzelheiten hüllte sie sich in störrisches Schweigen. Ich folterte sie mit Fußmassagen und Schlagsahnekaffee, drohte, ihrer Barbypuppe realistische Proportionen zu verpassen und brachte vor ihren Augen den Müll nach draußen, aber sie schwieg eisern und ich gab auf.
Ich bin mir absolut sicher, daß ich nicht schnurre.
So, jetzt wissen Sie, warum ich ganz offiziell schwul bin. Mir bleibt keine Wahl. Ich bin wahlschwul. Und ich bitte Sie um meinetwillen, das Gerücht ausgiebig zu verbreiten, damit ich mich endlich wieder aus dem Haus wagen kann, ohne um Leib und Lende zu fürchten. Das Interesse der organisierten Weiblichkeit an meiner Person muß schwinden. Ich habe ja an sich nichts gegen Frauen. Nur in der Menge werden sie mir unangenehm.
jatahunga in Mount Killmore