Es war einer dieser Tage, an dem „
CoCo“ Coriuna Murphy und sein verdammtes Gesetz aus tiefstem Herzen verfluchte.
Gestern noch hatte alles so gut ausgesehen:
Seit vier Generationen hatten die verrücktesten Wissenschafter und besten Alchemisten unermüdlich am weltenumspannenden Raum-Zeit-Portal-Netzwerk gearbeitet.
Die letzten Testläufe waren wie am Schnürchen verlaufen, und die Mitarbeiter der Portal-Teams hatten am Abend eine feucht-fröhliche Verbrüderungs-Feier im „Radix-Urbräu“ begonnen. Das Radix, wie es von seinen Stammgästen liebevoll genannt wurde, war das älteste und mit seinem legendären bronzezeitlichen
Ziegelboden im Keller wohl auch das berühmteste Brauhaus aller Welten. Die Stimmung war ausgelassen und frischer Apfelwein und kaltes Kellerbier flossen reichlich.
Nur der alte Magiotarch - Dekan der kaiserlich-technisch-magischen Akademie - war in tiefes, unheilvolles Brüten versunken.
Niemand außer Coriuna wagte es, den alten Mann in seinem Sinnen zu stören. „Magiotarchos“ - sie verwendete stets die respektvolle Meisterform seines Names - „warum feiert Ihr nicht ein wenig mit uns?“
„Es gibt keinen Grund zu feiern.“ brummelte der Alte - „Jeder, der nur ein wenig älter ist als Du, weiß, daß die Generalprobe schiefgehen muß, damit die Uraufführung gelingt.“
Einige der Umstehenden, die das Gespräch mitbekommen hatten, kicherten ob der vermeintlich abergläubischen Worte, verstummten aber abrupt als sie der durchdringende Blick des Magiotarchen traf.
Die Party ging weiter, doch die Stimmung war nun merklich gedämpft.
Coriunas Schlaf war seicht und wenig erholsam, sie wälzte sich unruhig und wachte schliesslich noch vor Sonnenaufgang schweißgebadet auf. Sollte der Alte Recht behalten?
Sie hatte nur ein Mal erlebt, daß er sich scheinbar irrte, und selbst in dieser Sache war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Zur feierlichen Eröffnungsfeier waren die nobelsten Vertreter aller Welten geladen, die zukünftig durch das Netzwerk untrennbar miteinander verbunden werden sollten.
Sie waren alle gekommen: Könige & Fürsten, Heldinnen & Krieger, Maharadschas & Wesire, Händler & Gaukler, Prinzessinnen & Kurtisanen, Agentinnen & Assassininnen.
Es war eine bunte, prächtige Parade, die durch die silbernen Strassen von Rizaria - der kaiserlichen Wurzelstadt - zog, um sich auf den Tribünen des Sonne-Mond-Platzes niederzulassen.
Die Ränge füllten sich langsam, und es gab den einen oder anderen kleinen Streit über Rangordnungsfragen, aber der kaiserliche Zerimonienmeister hatte Hofstaat und Gäste wie üblich fest & tadellos im Griff.
Zu Füßen der Festgemeinde plätscherten auf jeder Seite des Platzes je zehn Jung- & Wunschbrunnen und die Morgensonne zauberte kleine Regenbögen in die feinen Sprühnebel.
Niemand, der den Sonne-Mond-Platz zum ersten Mal sah, konnte diesen Moment je wieder vergessen; es war ein Ort voll einzigartiger Schönheit & Harmonie.
Der Tenno selbst - gottgleicher Sonnenkaiser - würde der Zeremonie beiwohnen, hieß es.
Vor den Brunnen stand die kaiserliche Musikanten-Garde Spalier, Trommler & Fanfarenbläser, die selbstredend alle an der kaiserlichen Fanfaren- &
Trommler-Schule ausgebildet worden waren.
Als endlich alle ihren Platz gefunden hatten, erklang ein Trommelwirbel, und die Fanfarenbläser erhoben synchron ihre Instumente, um hellklingend den Auftritt des Kaisers anzukünden.
Noch ahnte niemand der Festgäste welches Unheil begierig darauf wartete, mit elementarer Gewalt über sie herzufallen.
Als der alte Monarch auf der
Palmen-gesäumten Balustrade des kaiserlichen Zentralpalasts erschien, erhob sich tosender Beifall.
Der weithin beliebte Kaiser wurde von seiner jüngsten Tochter - Mondprinzessin Ryhelia - begleitet. Sie trug ein silber-besticktes dunkelblaues Kleid, das ihre anmutige Figur auf atemberaubende Weise zur Geltung brachte. Ihr einziges Schmuckstück war ein Stirnreif mit einem Mondstein in der Mitte, der von den zwanzig Weltensteinen umgeben war, die langsam um den Mondstein kreisten und dabei in allen Farben glitzerten und glänzten.
Er war ein Geschenk des Kristallmeisters - erster Handwerker und Hüter des Weltensiegels - an seine Patentocher zu ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag.
Man munkelte, der Reif besäße besondere magische Kräfte. Doch der Kristallmeister weigerte sich beharrlich, derartige Gerüchte zu kommentieren, was naturgemäß die wildesten Spekulationen befeuerte.
Die Netzwerk-Erbauer hatten für den heutigen Festtag keine Kosten und Mühen gescheut und dabei auch ihren Sinn für Humor bewiesen. Um den temporären Charakter des Knotenpunktes am Sonne-Mond-Platz zu illustrieren - das Hauptportal von Rizaria würde zukünftig aus Sicherheitsgründen etwas ausserhalb der Kaiserstadt nahe beim berühmten
antiken Gesicht liegen - hatten sie die Form einer
Sandburg inmitten einer künstlichen
Oase gewählt.
Während alle Augen gebannt in Richtung der jungen Prinzessin bzw. ihrer magisch-holographischen Projektionen blickten, waren die kaiserlichen Sicherheitskräfte in höchster Alarmbereitschaft.
Der legendäre Neunsterne-General Grivus, den der Kaiser nach unzähligen Einsätzen zum Leiter der Sicherheitsdienste berufen hatte, war strikt dagegen gewesen, am Sonne-Mond-Platz auch nur für eine Woche ein Portal zu installieren.
Und er sollte Recht behalten.
Er war es gewohnt, von jungen Nachwuchskadern, für die seiner Meinung nach
Pflichterfüllung nur noch eine leere Worthülse war, als altmodisch und paranoid angesehen zu werden. Als Soldat der alten Schule sah er das als Lob, nicht als Kritik.
Sein Motto war untrennbar mit dem Namen Grivus verbunden:
Si vis pacem, para bellum. - Wenn Du Frieden willst, bereite Dich auf den Krieg vor.
Die Umlaufbahn der drei Monde von Rizeria war semi-stabil, sodaß kaum verläßliche Langfrist-Prognosen existierten. So konnten sich die Hofastronomen einen besonden Effekt für den heutigen Tag vorbehalten: eine unangekündigte Sonnenfinsternis.
Als sich der Himmel zu verdunkeln begann, stiegen die ersten Feuerwerksraketen in den Himmel. Fackeln wurden verteilt und agezündet, und die Tribünen verwandelten sich in ein flackerndes Lichtermeer.
Und dann ging alles sehr schnell. Die Prinzessin ließ ihr goldenes Tuch zu Boden fallen, das Zeichen für den Magiotarchen und seine zwanzig Weisen, das Portal zu öffnen. Doch anstatt des dunklen, fast schwarzen Violetts des Portals entzündeten sich plötzlich hunderte
Signalfeuer.
Die geheimen Sicherheitssysteme von General Grivus hatten Alarm geschlagen und die Abwehrschilde aktiviert.
Die Menge bekam von dem, was sich jetzt abspielte, wenig mit, die Zuschauer dachten, das sei alles Teil der großen Show und jubelte über die gelungenen „Spezialeffekte“.
„General was ist hier los … ?“
Coriuna war außer sich vor Wut - war das alte Rauhbein schon wieder über das Ziel hinausgeschossen?
„Schauen Sie sich das an Commander!“ (Coriunas militärischer Rang, der nur unzureichend ihre Stellung am Hof wiederspiegelte) „Sieht so aus als hätte hier etwas Interdimensionales - wie heißt das -
Schiffschaden … nein: Schiffbruch erlitten.“
Als Coriuna erkannte, was das Ding war, das sich in Grievus' Schildkaskade verfangen hatte, wurde sie kreidebleich.
Sie dankte den Göttern aller Welten, daß der Kaiser einen so erfahrenen alten Fuchs …
„Und wenn er das alles selbst inszeniert hat?“
Der Gedanke war hartnäckig, doch Coriuna begann zu verstehen, daß sie die Sicherheitsrisiken permanent verbundener Welten gravierend unterschätzt hatte.
Das Ding wurde diskret und unter einigen zusätzlichen Feuerwerkssalven von den Sicherheitsleuten entfernt und die restliche Eröffnungs- und Einweihungsparty verlief wie geplant.
Bis auf die üblichen kleinen Party-Zwischenfälle und eine noch lange verstopfte
Ubahn-Station hinter dem Palastbezirk war nichts Wesentliches zu berichten.
Ein neues Zeitalter war angebrochen.
wowo the woolve warrior
Greifental
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